Nach der Vorstandswahl der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft eröffnete der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen und wiedergewählte Präsident der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft, Hartmut Koschyk MdB, am Samstag die Podiumsdiskussion: „Rückt eine Wiedervereinigung Koreas näher?“. Ziel war es, die heutige Lage auf der koreanischen Halbinsel zu erörtern. Die innere Situation in Nordkorea und das Bemühen von Kim-Jong Il seine Macht auf seinen Sohn zu übertragen, sowie die neue Bereitschaft die Gespräche mit China wiederaufzunehmen zeichnen den Rahmen eines möglichen Wandels. Parl. Staatssekretär Koschyk stellte die Ehrengästen Prof. Lee Eun-Jeung von der FU Berlin, den letzter DDR-Botschafter in Nordkorea (1987-1990), Dr. Hans Maretzki, den ehemaligem Deutschen Botschafter in Südkorea (2003-2006), Michael Geier, sowie die Journalistin Christiane von Hardenberg (Financial Times Deutschland), die die Debatte moderierte, vor. Ebenfalls danke er der Konrad Adenauer Stiftung als Gastgeber.
Den ersten Beitrag hielt die Südkoreanerin Prof. Lee Eun-Jeung. Sie leitete ihren Vortrag mit der Frage ein, wer der Nachfolger des erkrankten Diktators Kim-Jong Il werden wird. Hierzu beschrieb sie ausführlich, dass allem Anschein nach der jüngste Sohn Nachfolger wird. Diese unübliche Thronfolge erklärte Sie damit, dass der älteste Sohn von Kim Jong-Il nicht nur in verschiedenen Teilen der Welt mit illegalen Ausweißpapieren ertappt wurde, sondern außerdem von einer unehelichen Konkubine stammt. Der erste eheliche Sohn, soll nach einem Autounfall angeblich querschnittsgelähmt sein. Somit ist es so gut wie sicher, dass der jüngste Sohn, Kim-Jong Un, die Nachfolge antreten wird.
Seit dem letzten Parteikongress am 13. September 2010, wird eine Regelung der Machtfolge durch Kim-Jong Il immer deutlicher. So hat er seinen jüngsten Sohn zum militärischen General und alleinigen Befehlshaber ernannt. Kim Jong-Ils jüngere Schwester, Kim-Jong Hui, hat der Diktator hingegen zur Generalin und Leiterin des Politbüros befördert. Hinter beiden Führungspositionen steht ein Kollektiv von Verwandten, die die jeweilige Spitze loyal stützen. Folglich hat in der nächsten Führungsgeneration keiner die alleinige Macht über das Land und laut Prof. Lee Eun-Jeung ist ein familieninterner Konflikt vorprogrammiert. Außerdem ist die Kontrolle über das Militär die strategisch wichtigere und stärkere Führungsposition, was einen Konflikt umso stärker fördert. Dieses Argument dementiert Dr. Hans Maretzki später als reine Spekulation, da er persönlich den Familienverband als sehr eng und loyal erlebt hat. Außerdem sei die Familienstruktur irrelevant, da diese Familie nach außen hin autark und geschlossen auftritt und es kein internes Machtspiel gibt.
Prof. Lee Eun-Jeung beendete Ihren Beitrag mit der Aussage: „Unsere Aufgabe heute ist es, zu beobachten, wie sich die Machtstrukturen im Verhältnis zu den internen wirtschaftlichen Interessen des Landes entwickeln.“
Gleich im Anschluss fasste Christiane von Hardenberg nochmal zusammen zum, dass sich eine Veränderung der koreanischen Machtverhältnisse nicht von heute auf morgen realisieren muss, wir es jedoch immer im Hinterkopf behalten sollten, dass dies jederzeit und schnell geschehen kann.
Der ehemalige Deutsche Botschafter in Süd-Korea, Michael Geier, leitete sein Referat mit den Wort ein: „Zum Thema der Wiedervereinigung gibt es verschiedene Konzepte, aber es gibt nur einen Weg für Korea: den Kollaps des Systems.“ Er verwies auf die Problematik der chinesischen Unterwanderung des Landes und prognostizierte, dass China in etwa 10 bis 20 Jahren Nord-Korea als weitere Provinz eingliedern wird. Der Grund dafür ist, dass China Nord-Korea als großzügige Grenze zum Westen hin ansieht und diese unbedingt und ausnahmslos schützen wird. Statt Nordkorea zu konsolidieren, ist es viel wichtiger, eine Machtübernahme zu verhindern, so Botschafter a.D. Geier.
Dr. Maretzki betonte hingegen, dass die Eigenmacht der Familie Kim-Jong sich bereits in der damaligen Gründerzeit zeigte, als der sozialistischen und nationalistisch geprägte Staat gründet wurde. Bereits zu dieser Zeit ließ der Diktator schriftlich festlegen, dass politische Experimente tabu sind und damit die Möglichkeit einer politischen Koexistenz und einer Wiedervereinigung seitens Nord-Korea nie gegeben war. Obwohl der Informationsaustausch zur Außenwelt minimal ist und die Bevölkerung Nordkoreas unter andauernder Manipulation steht, dringen dennoch immer mehr Informationen westlicher Medien nach Nordkorea vor. Lediglich ein Drittel steht hinter dem Regime, allerdings sollte man weder die von Kim-Jong Il geschaffene Ideologie noch die Gefährlichkeit des damit verbundenen Militarismus unterschätzen, so Dr. Maretzki.
In der abschließenden Debatte stellte Parl. Staatssekretär Koschyk die Frage, inwieweit die Einflüsse Chinas in Nordkorea wirklich eine Rolle spielen, da er den Eindruck hat, dass Chinas Einfluss auf das isolierte Land weniger stark ist, als vermutet wird. Dr. Maretzki antwortete, dass dies nicht abwegig sei, da man in Nordkorea das Interesse für neue, nicht chinesische Handelsbeziehungen feststellen kann. Außerdem seien landesinterne Bewegungen zu spüren, die zeigen, dass sich Nordkorea von der wirtschaftlichen Macht Chinas lösen will. Auch der zunehmende Informationsfluss, der durch die lockere Grenzpolitik in der Kesong Region zunimmt wirkt der Abhängigkeit zu China entgegen. Die Region von Kesong wurde von Dr. Maretzki mit der ehemaligen DDR wie folgt verglichen: „ Es ist so, als ob man einen Industriepark mit modernster westdeutscher Technik und Arbeitsmoral in die DDR setzt und dort die Bürger nach westdeutschem Standard arbeiten lässt. Die Auswirkungen auf die Bevölkerung können sie sich ja selber denken“. Nordkorea hat gegenüber China durch sein nukleares Waffenarsenal eine Machtposition inne, die die Chinesen zunehmend beunruhigt. „ China und Korea lieben einander nicht“, so Dr. Maretzki.
Insgesamt kristallisierte sich aus der Diskussion heraus, dass Nordkorea für eine bedeutende Veränderung bereit ist, da das Land neue finanzielle Quellen braucht, die Bevölkerung dabei ist, die Realität zunehmend deutlicher wahrzunehmen und das Eindringen westlicher Berichterstattung nicht verhindert werden kann. Langfristig scheint eine politische Umorientierung des Landes unabdingbar.
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