Angesichts der Gespräche zwischen der Regierungskoalition und der Opposition zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer befragte der Korrespondent des Nordbayerischen Kuriers, Rudi Wais, den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen und Bayreuther Bundestagsabgeordneten Hartmut Koschyk. Eine Finanztransaktionssteuer ist eine Steuer auf börsliche und außerbörsliche Finanztransaktionen. „Wir betreten hier Neuland“, räumt Finanzstaatssekretär Koschyk gegenüber dem Nordbayerischen Kurier ein.
In einigen europäischen Ländern werden Börsengeschäfte bereits besteuert. Hat das geholfen, den Handel zu entschleunigen und die Spekulation zu bremsen?
Nein. In Großbritannien ist der sogenannte Hochfrequenzhandel, in dem mit einem Mausklick Milliarden um die Welt und wieder zurück gejagt werden, von der sogenannten Stempelsteuer ebenso ausgenommen wie Geschäfte mit Devisen, Derivaten, Rohstoffen oder Anleihen. Die Steuer, die dem Fiskus jedes Jahr mehr als drei Milliarden Euro einbringt, wird lediglich beim Kauf von Aktien britischer Gesellschaften fällig – und auch hier gibt es noch Ausnahmeregelungen für institutionelle Investoren. In der Schweiz spielt eine ähnliche Steuer jedes Jahr rund 1,5 Milliarden Euro ein, ebenfalls mit Ausnahmen für Fonds, Versicherer und andere institutionelle Anleger. In Schweden ist der Handel nach der Einführung einer Transaktionssteuer 1985 regelrecht eingebrochen. Sie wurde wieder abgeschafft.
Der Finanzminister kalkuliert mit Einnahmen von zwei Milliarden Euro vom Jahr 2014 an. Ist das realistisch?
Das kommt darauf an, wie die neue Transaktionssteuer ausgestaltet wird. In einer vorläufigen Vereinbarung von Koalition und Opposition heißt es lediglich, sie solle mit einem Steuersatz zwischen 0,1 und 0,01 Prozent „möglichst alle Finanzinstrumente“ erfassen. Gleichzeitig allerdings hat die FDP versprochen, Riester-Sparer und Kleinanleger zu verschonen. Je länger der Katalog der Ausnahmeregelungen jedoch wird, umso geringer ist unterm Strich das Steueraufkommen. Außerdem muss Schäuble damit rechnen, dass Banken und Fondgesellschaften noch stärker auf Länder wie Luxemburg ausweichen, die keine Besteuerung von Börsengeschäften planen.
Wie kann die Regierung verhindern, dass ein Riester-Sparer, der regelmäßig Aktien- oder Rentenfonds kauft, keine Transaktionssteuer zahlt?
Das ist bislang völlig unklar. Im Moment würden noch verschiedene Modelle diskutiert, betont Koschyk. Am einfachsten wäre es, alle Fonds von der Steuer zu befreien – was mit der SPD aber kaum zu machen sein wird. Wie teuer die Steuer einen Sparer zu stehen kommen kann, zeigt eine Modellrechnung der Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. Ein typischer Riester-Kunde, der jeden Monat 100 Euro zur Seite legt, hätte danach nach einer Ansparphase von 40 Jahren mehr als 14 000 Euro an Transaktionssteuern abgeführt, bei einer durchschnittlichen Verzinsung von fünf Prozent entspricht das etwa einem Zehntel des gesparten Kapitals. Das liegt vor allem daran, dass die Manager von Riester-Fonds häufig zwischen risikoreicheren und risikoärmeren Papieren umschichten müssen, um ihren Kunden jederzeit das eingezahlte Kapital garantieren zu können – bei jedem Kauf und Verkauf eines Anteilsscheines aber würde die neue Steuer fällig. Streng genommen zahlt der Anleger die Transaktionssteuer sogar noch viel öfter, weil der jeweilige Fonds, für den er sich entscheidet, selbst Aktien und festverzinsliche Wertpapiere kauft und verkauft und dann auch für diese Transaktionen Steuern zahlen muss.
Macht die Steuer überhaupt Sinn, wenn sie nur in einigen wenigen Ländern eingeführt wird?
Union und FDP betrachten sie vor allem als politische Notwendigkeit, als Zugeständnis an die SPD. Die europäischen Verträge erlauben die Einführung der Steuer bereits, wenn sich mindestens neun Länder für sie entscheiden. In einem Brief an die dänische Ratspräsidentschaft haben sich neben Deutschland und Frankreich auch Österreich, Finnland, Belgien, Spanien, Griechenland, Italien und Portugal für eine Transaktionssteuer ausgesprochen.
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